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Netzneutralität
Netzneutralität

Kampf der Lobbys ums Internet

Stefan Grundmann

Autor des Beitrags

Stefan Grundmann, Jg. 1965), arbeitete nach dem Studium der Kulturwissenschaften als Journalist für Online- und Printmedien. Im Jahr 2006 wechselte er in die interne Kommunikation eines Telekommunikationsunternehmens. Seit 2011 arbeitet er in Hamburg als freiberuflicher Redakteur.

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Seit Jahren führen große Internet-Provider hitzige Debatten mit den Anbietern von Online-Diensten wie Google, Facebook oder Netflix über die steigenden Kosten der Breitband-Infrastruktur. Die Telekom fordert zusammen mit anderen europäischen Telekommunikationsunternehmen, dass die großen Content and Application Provider (CAP) Meta, Alphabet, Amazon, Microsoft und Netflix verpflichtet werden sollten, den europäischen Netzausbau mit zu finanzieren. Diese halten dagegen, dass nicht die CAP, sondern die zahlenden Kunden der Netzbetreiber den Datentraffic verursachen und verweisen auf die gesetzlich festgeschriebene Netzneutralität.

Was bedeutet Netzneutralität?

Der Begriff steht für das Grundprinzip, nach dem alle Daten bei der Übertragung im Internet gleichbehandelt werden – unabhängig von deren Herkunft, Inhalt, Anwendung, Absender oder Empfänger. So soll sichergestellt werden, dass alle Nutzer auf alle Inhalte gleichermaßen gut zugreifen können und auf der anderen Seite alle Anbieter von Inhalten oder Apps die gleichen Bedingungen im Netz vorfinden. Dabei gilt das Best-Effort-Prinzip: Daten werden in kleine Pakete zerteilt durch die Datenleitungen geschickt und beim Empfänger wieder zusammengesetzt. Sämtliche Datenpakete werden dabei gleich (neutral) behandelt – ob kleiner Blogbeitrag oder ein Video von einem Internet-Giganten (Best-Effort-Prinzip).

Es gibt keine Vorzugsbehandlung: Der Datenverkehr darf durch Internetprovider nicht diskriminiert, geblockt, gedrosselt oder priorisiert werden. Das bedeutet im Umkehrschluss: Diensteanbieter können sich keine priorisierten Zugänge als digitale „Überholspuren“ bei den Providern erkaufen. Befürworter der Netzneutralität sehen darin einen geeigneten Schutz davor, dass die großen Anbieter ihre Marktmacht ausbauen und kleinere Wettbewerber verdrängen. Die Netzbetreibern kritisieren hingegen, dass ihnen potentielle Einnahmequellen verschlossen bleiben.

Europaparlament verordnet Netzneutralität

Der europäische Gesetzgeber hat im Jahr 2015 in einer Verordnung die Regeln für die Netzneutralität für alle EU-Mitgliedsstaaten festgelegt. Es obliegt den einzelnen Staaten, wie diese umgesetzt werden. In Deutschland ist Netzneutralität nicht explizit und fest per Gesetz vorgeschrieben – der Begriff wurde bisher nicht klar definiert. Die EU-Vorgaben wurden stattdessen per Änderungsgesetz in das Telekommunikationsgesetz (TKG) übernommen. Die Bundesnetzagentur überwacht seit Inkrafttreten im April 2016 die Einhaltung der Verordnung und ist ermächtigt, Verstöße zu sanktionieren.

Die Suche nach Schlupflöchern

Kritiker mahnten früh an, dass die Regelungen Hintertürchen offenließ. So dürfen für bestimmte „Spezialdienste“ Daten doch bevorzugt behandelt werden. Die EU-Kommission nennt sehr begrenzten Ausnahmen, zum Beispiel die Tele-Medizin. Genau definiert sind die Grenzen aber nicht.

Immer wieder versuchen die großen Netzbetreiber in Europa solche Schlupflöcher auszunutzen. Ein Beispiel dafür sind „Zero-Rating“-Optionen, die Netzbetreiber in verschiedenen Ländern ihren Kunden anboten. Hier können Nutzer beispielsweise Dienste wie Musik-Streaming oder Gaming-Angebote nutzen, ohne dass die hierfür genutzte Datenmenge auf das gebuchte Volumen angerechnet wird.

Nach langen Diskussionen wurden sogenannte „Nulltarif“-Optionen vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) untersagt, in Deutschland unter anderem der Vodafone-Pass, bei dem der mobile Datenverkehr im Inland nicht auf das zum Vertrag gehörende Datenvolumen angerechnet wurde, im Ausland dagegen der Verbrauch beim Roaming angerechnet wurde.

Umstrittene Gaming Angebote der Telekom

Ein anderes Beispiel ist das Gaming-Angebot StreamOn, dass die Telekom ihren Kunden als kostenlose Zubuchoption anbot. Dabei wurde nicht das Zero-Rating-Angebot als solches als Verstoß gegen die Netzneutralität bewertet, sondern die Drosselung der Videoübertragung des kostenlosen Angebotes, die gegen die Regeln der Daten-Gleichbehandlung verstößt.

Aktuell testet die Telekom die gesetzlichen Grenzen der Netzneutralität mit ihrem „5+ Gaming Option“ weiter aus. Diese verspricht eine „intelligente 5G–Funktion“, die „schnellere Reaktionen beim Echtzeit-Gaming und stabile Performance für ein flüssiges Spielerlebnis“ ermöglicht. Dabei setzt das Unternehmen technisch auf sogenanntes „Network Slicing“, dass die Möglichkeit eröffnet, das Netz physisch in mehrere Ebenen zu unterteilen – beispielsweise im Bereich einer Funkzelle. In jeder „Slice“ können eigene Einstellungen für die Bandbreite, Latenz und sonstige Netzwerkparameter festgelegt werden. Das kann Spielern Vorteile gegenüber anderen verschaffen, gerade wenn diese im LTE-Netz unterwegs sind, das diese Möglichkeiten nicht bietet. Als „exklusive Spielwiese mit Zutrittsbarrieren“ gefährde die Telekom mit diesem Angebot die Netzneutralität, schreibt netzpolitik.org.

Schlingerkurs in den USA

Im Januar 2025 machte das Thema Netzneutralität in den USA Schlagzeilen. Ein Berufungsgericht kippte die Regeln der Netzneutralität, die erst im April 2024 von der US-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) erlassen wurden.

Ein Blick etwas weiter zurück zeigt, wie politisch dort das Thema ist: Erstmals eingeführt wurden Vorgaben zur Netzneutralität während der Regierungszeit von Präsident Barack Obama. Er sprach sich 2014 für ein offenes und freies Internet aus. Nach einigem rechtlichen Hickhack 2015 stufte die FCC das Internet als Telekommunikationsdienst ein, der zur Grundversorgung zähle, wie Wasser oder Strom. Die Behörde konnte den Providern somit strengere Vorschriften machen. Obama wandte sich damit gegen „Überholspuren im Internet“ und meinte damit insbesondere Vereinbarungen zwischen Providern und Videostreaming-Diensten wie Netflix, Amazon oder YouTube, gegen Bezahlung bessere Übertragungen zu sichern.

Obamas Nachfolger Donald Trump sorgte als Regulierungsgegner dafür, dass die Regeln während seiner ersten Präsidentschaft im Jahr 2017 wieder fielen. Unter Joe Biden wurden sie dann im April 2024 erneut eingesetzt.

Am 2. Januar 2025 kassierte das Berufungsgericht die Regeln erneut ein und begründete die Entscheidung damit, dass Breitbandzugänge eben nicht eine Grundversorgung wie Wasser und Strom darstellen, wie Obama 2014 argumentierte. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass Breitband-Internetanbieter keine Telekommunikationsdienste, sondern Informationsdienste seien. Damit sei die FCC nicht für ihre Regulierung zuständig. Ihre bundesweiten Aufsichtsmöglichkeiten sind dadurch erneut zunichte gemacht. An den Netzneutralitätsregeln, die einzelne Bundesstaaten wie Kalifornien oder Washington eingeführt hat, ändert die Entscheidung des Gerichts jedoch nichts.

Freies und offenes Internet ist ein globales Thema

Das weltweit erste Gesetz zur Netzneutralität wurde im Juli 2010 in Chile verabschiedet und trat im
Mai 2011 in Kraft. Das Land nahm in dieser Zeit innerhalb der lateinamerikanischen Länder eine Vorreiterrolle ein beim Ausbau der Internetinfrastruktur und der Zahl der Internetnutzer. Schon 2014 hat die chilenische Telekommunikationsbehörde Zero-Rating-Dienste verboten. Große Anbieter wie Google oder Facebook boten mit Free-Rating-Optionen nach eigenem Bekunden vor allem ärmeren Bevölkerungsschichten die Chance, das Internet zu erkunden. Kritiker sahen darin die Gefahr, dass die führende Stellung dominanter Anbieter durch solche Angebote weiter zementiert wird.

In der gleichen Zeit, als Chile Zero-Rating verbot, nutzen Menschen auch in zahlreichen Schwellen- und Entwicklungsländern wie die Philippinen, Südafrika, Nepal solche „Nulltarife“. Mobilfunkanbieter schlossen mit Google, Facebook, Twitter oder der Wikimedia-Stiftung Verträge ab, mit dem die Nutzer den Zugang zu deren Seiten erhielten, ohne einen entsprechenden Tarif buchen zu müssen. Die Tech-Anbieter priesen ihre günstigen oder oft auch kostenlosen Angebote als eine Art Entwicklungshilfe an, die es ärmeren Menschen überhaupt ermöglicht, das Internet zu nutzen. Kritiker hingehen bewerteten das Zero Rating als Strategie, neue Märkte zu erschließen.

Der „digitale Kolonialismus“ ist seitdem weiter vorangeschritten: Heute ist die Mehrzahl der Unterseekabel im Besitz von US-Tech-Konzernen. Welche Auswirkungen das für Länder im Globalen Süden hat, beschreiben Sven Hilbig und Ingo Dachwitz in ihrem Buch „Digitaler Kolonialismus. Wie Tech-Konzerne und Großmächte die Welt unter sich aufteilen“.

Ausblick: Wie geht es in Europa weiter?

Der Ausbau von Glasfasernetzen und der immens steigende Datenhunger wird die Kosten auch in den kommenden Jahren für die Internetanbieter deutlich nach oben treiben. Die Diskussion um die finanzielle Beteiligung der Big-Tech-Player wird in Europa darum sicher noch einige Zeit weitergehen. Die Organisation der führenden Netzanbieter Connect Europe (früher ETNO) wird nicht müde, Google, Facebook und Co. zur Kasse zu bitten und hat auf seiner Website mit „Neun Fragen und Antworten zum gerechten Beitrag“ die Argumente zusammengetragen.

Mit seiner Lobbyarbeit brachte der Telco-Verbund EU-Kommissare bereits zu Gedankenspielen über faire Beteiligungen oder die Idee einer Datenmaut. Dafür hagelte es Kritik, Verfechter der Netzneutralität werten Ansätze wie diese als Angriff auf das freie Internet. Solange sich gesetzlich nichts ändert, können sich die großen Content and Application Provider vor Zwangsabgaben sicher fühlen.

Doch nicht nur Finanzierungsfragen rütteln an den Grundfesten der Netzneutralität, sondern auch technische Entwicklungen. Moderne Netzwerkverwaltungen ermöglichen es, unterschiedliche Daten in unterschiedlicher Qualität zu übertragen. Telefonate können beispielsweise mit einer anderen Datenrate als Video-Clips übertagen werden. Nach Ansicht der Netzbetreiber biete diese Form der Netzwerkverwaltung eine effizientere Möglichkeit, Datenstaus zu verhindern und die Übertragungsqualität insgesamt sicherzustellen. Die unterschiedliche Bearbeitung der Daten widerspricht aber den Anforderungen der Netzneutralität. Darum gilt das Best-Effort-Prinzip, das aber eine permanente Erhöhung der Netzkapazität und damit auch größere Investitionen erfordert.

Gespannt darf man sein, inwieweit das Network Slicing, das die Telekom mit seinem Games-Angebot im 5G-Netz bereits einsetzt, die Diskussionen um die Netzneutralität weiter anheizen wird. Es erscheint sinnvoll, Daten entsprechend ihrer Art unterschiedlich zu verwalten und so Qualität und Geschwindigkeit zu erhöhen. Aber es öffnet auch weit das Tor, Online-Anbietern passgerechte Kanäle für ihre Inhalte und Anwendungen anzubieten und zahlen zu lassen. Genau das soll Netzneutralität verhindern. Wie das im 5G-Netz sinnvoll geschehen kann, bleibt abzuwarten.

Was erwartet die Verbraucher?

“Kein Anbieter eines Dienstes sollte in einer ‘Kriechspur’ festsitzen, weil er keine Gebühren bezahlt”, erklärte Obama 2014 in seinem Appell für das freie du offene Internet. Damit würde das Prinzip der gleichen Bedingungen für alle untergraben, das die Grundlage für das Wachstum des Internets gewesen sei.

Den freien und offenen Zugang zum Internet empfinden die meisten als Grundrecht, seit Beginn des Webs galt: gleiches Recht und gleiche Chancen für alle. Sicher, immer mal wieder musste die Leitung ans Datenvolumen angepasst werden – vom Kabelmodem zur Glasfaser waren es schon viele Schritte. Und klar, nicht jeder kann sich alles kaufen, was das digitale Schaufenster bietet. gepusht werden ist für uns seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit, wir sind es gewohnt, alle Informationen und Dienste frei nutzen zu können. Wenn die Leitung zu langsam wurde, hat sich als gefühltes Grundrecht in der westlichen Welt in den vergangenen Jahrzehnten hat „eine zentrale Bedeutung für uns alle“, schreibt die Bundesnetzagentur auf ihrer Website. Netzneutralität als Grundprinzip „soll sicherstellen, dass Datenverkehr nicht diskriminiert, geblockt, gedrosselt oder priorisiert wird. Dadurch sollen Nutzerrechte geschützt werden, denn.

Veröffentlicht am 28.04.2025

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